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„Woran forschen Sie gerade, Frau Professorin Gnutzmann-Mkrtchyan?“

„Woran forschen Sie gerade, Frau Professorin Gnutzmann-Mkrtchyan?“

© Foto: C. Wyrwa/Grafik: Unsplash.com

Wissenschaft ist wichtig – und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten. Im aktuellen Beitrag: Arevik Gnutzmann-Mkrtchyan, Professorin am Institut für Makroökonomik der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „Use and Abuse of Antidumping by Global Cartels“.

 

Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?

In meiner Forschung befasse ich mich mit internationalem Handel, einem Thema, das in den letzten Jahren zunehmend im Interesse der Öffentlichkeit steht. Es ist klar geworden, dass die Handelspolitik viele Aspekte unseres alltäglichen Lebens, von der Verfügbarkeit von Produkten und deren Preis, über die Struktur der Produktion und des Arbeitslebens, bis hin zu allgemeinem Wohlbefinden, beeinflusst. Ich interessiere mich für die unterschiedlichen Facetten des internationalen Handels, zum Beispiel, wie verschiedene Handelsabkommen die Struktur von Import und Export beeinflussen, ob die Liberalisierung des Handels zu einer Fragmentation von Produktion und Offshoring führt und wie Entwicklungsländer vom internationalen Handel profitieren können.

 

Wie lautet Ihre Forschungsfrage und welcher Methoden bedienen Sie sich?

Meine Forschung ist hauptsächlich empirisch, also ich sammle relevante Daten von verschiedenen Quellen und analysiere diese mit statistischen und ökonometrischen Methoden.  

Im aktuellen Projekt „Use and Abuse of Antidumping by Global Cartels“ beschäftigte ich mich mit sogenannten Antidumping-Zöllen. Diese Zölle werden zunehmend von Regierungen verhängt, mit dem Ziel, heimische Produzenten vor unfairem ausländischem Wettbewerb zu schützen, zum Beispiel in Folge von ungerechtfertigten Preisnachlässen. Es besteht jedoch das Risiko, dass durch solche Zölle der Wettbewerb geschwächt wird oder ineffiziente Firmen auf Kosten der Konsumenten subventioniert werden.

Uns ist aufgefallen, dass über einen langen Zeitraum der Wirtschaftsgeschichte Fälle von Antidumping-Zöllen häufig in den gleichen Industriesektoren auftreten, in denen auch Kartellvergehen untersucht oder festgestellt wurden. Daher sammeln wir Daten zu Kartellfällen, die von Wettbewerbsbehörden untersucht wurden, ebenso wie zu Fällen von Antidumping, die von Handelsbehörden geprüft wurden. Diese kombinieren wir mit einem großen Datensatz zu internationalen Handelsflüssen. Wir möchten damit verstehen, in welcher Wechselwirkung Kartelle und Antidumping-Verfahren stehen und ob z. B. Antidumping-Maßnahmen von Kartellen missbraucht werden könnten, um Preise zu halten oder zu erhöhen.

 

Welche Ergebnisse und Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?

Falls Kartelle tatsächlich Antidumping-Maßnahmen zur Wettbewerbsverzerrung nutzen sollten, könnten die zuständigen Handelsbehörden bei der Entscheidung über Antidumping-Maßnahmen den heimischen Grad an Wettbewerb in die Überlegung stärker mit einfließen lassen.

 

Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?

Drittmittel werden in der Forschung immer wichtiger und es freut mich, dass meine Projekte von verschiedenen Organisationen unterstützt werden. Das beschriebene Projekt wird unter anderem durch das Programm „Wege in die Forschung II“ der Leibniz Universität gefördert.

 

Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?

Es würde mich freuen, wenn es mehr institutsübergreifende Veranstaltungen geben würde. Man könnte einen engeren Austausch mit Forschern in angrenzenden Feldern aufbauen und es würden sich vielleicht neue Möglichkeiten zur Kooperation eröffnen.

Weiterhin wäre es zu begrüßen, wenn Verwaltungsprozesse vereinfacht werden können, damit mehr Zeit für die Forschung bleibt.

 

In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Eine gesunde Fehlerkultur entlastet. Wir möchten daher Antworten auf die Frage „Was ist schiefgelaufen?“ veröffentlichen. Gibt es in Ihrer akademischen Laufbahn eine persönliche „Geschichte vom Scheitern“ und wenn ja, was können andere aus ihr lernen?

Versuch und Irrtum liegen in der Tat häufig vor der Erkenntnis und in einem Forschungsprojekt stößt man immer wieder auf Hindernisse, neue Fragen oder auch scheinbare Widersprüche. Gleichzeitig gibt es immer wieder Rückschläge, zum Bespiel Ablehnungen von Journals, negative Gutachten und so weiter. Man muss lernen, diese nicht als Scheitern aufzufassen, um sich nicht entmutigen zu lassen.

 

Vielen Dank für Ihre Auskünfte.

 

Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.