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„Woran forschen Sie gerade, Herr Professor Blaufus?“

„Woran forschen Sie gerade, Herr Professor Blaufus?“

© Foto: C. Wyrwa/I. Rifath Unsplash.com

Wissenschaft ist wichtig und sie verständlich darzustellen ebenso. Wie lässt sich gesellschaftliches Vertrauen in die Wissenschaft stärken? Indem die Akteure über ihre Forschungsvorhaben, -methoden und -ergebnisse berichten.
Im aktuellen Beitrag: Kay Blaufus, Professor am Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Leibniz Universität Hannover zum Projekt „Accounting for Transparency“.

 

Wie erklären Sie einem Laien den Kern und die Relevanz Ihres aktuellen Forschungsvorhabens?

Mein Team ist Teil des Sonderforschungsbereichs Accounting for Transparency, in dem Forschende untersuchen, wie Rechnungslegung und Besteuerung Transparenz schaffen – oder manchmal verhindern – und wie diese Transparenz Wirtschaft und Gesellschaft beeinflusst. In unseren Teilprojekten analysieren wir beispielsweise, wie steuerliche Komplexität zu Fehlentscheidungen bei Steuerpflichtigen und Beratern führen kann oder wie sie das Prüfungsrisiko beeinflusst. Zudem erforschen wir, in welchem Zusammenhang die Transparenz der Rechnungslegung mit der Wahrscheinlichkeit von Steuerhinterziehung steht und welche Rolle Steuerberater dabei als mögliche Gatekeeper spielen. Schließlich interessiert uns auch, ob intransparente unternehmerische Steuerplanung zu Fehlbewertungen an den Kapitalmärkten führen kann.

 

Welcher Methoden bedienen Sie sich?

Ich verwende überwiegend empirische Methoden, die ich je nach Forschungsfrage gezielt auswähle. Ein Schwerpunkt liegt auf experimentellen Studien, mit denen sich Entscheidungsprozesse und Verhaltensmuster von Steuerpflichtigen und Beratern kontrolliert untersuchen lassen. Ergänzend setze ich Umfragen und Analysen von Archivdaten ein, um reale Steuer- und Unternehmensdaten auszuwerten und experimentelle Befunde in einen breiteren Kontext einzuordnen.

 

Welche Anwendungsmöglichkeiten erwarten Sie?

Unsere Forschung soll Erkenntnisse liefern, die für Gesetzgeber, Finanzverwaltung und Unternehmen gleichermaßen relevant sind. Sie kann dazu beitragen, steuerliche Regelungen und Informationspflichten so zu gestalten, dass sie Transparenz fördern, Fehlentscheidungen vermeiden und die Steuer-Compliance erleichtern. Ein Anliegen ist mir dabei, dass wissenschaftliche Ergebnisse auch in die politische Diskussion einfließen. So habe ich mich im vergangenen Jahr in der vom Bundesfinanzministerium eingesetzten Expertenkommission bürgernahe Einkommensteuer engagiert, die Vorschläge erarbeitet hat, wie das Einkommensteuerrecht und der Besteuerungsprozess bürgerfreundlicher gestaltet werden können.

 

Mit welchen Mitteln finanzieren Sie Ihr Forschungsprojekt?

Der Sonderforschungsbereich Accounting for Transparency wird als transregionales Verbundprojekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die Förderung ermöglicht es, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus mehreren Universitäten grundlegende Fragen zu Transparenz, Rechnungslegung und Besteuerung interdisziplinär zu erforschen.

 

Welches Problem in Ihrem Forschungsalltag ließe sich nach Ihrer Meinung ohne Geld lösen?

Ein zentrales Problem im Forschungsalltag ist der Mangel an Zeit. Mehr professionelle Unterstützung bei der Beantragung von Drittmitteln oder eine Reduzierung der wachsenden Zahl administrativer und begutachtender Aufgaben – etwa bei Anträgen, Publikationen, Stipendien oder Programmevaluationen – würde helfen, mehr Raum für die eigentliche Forschung zu schaffen. Für die Steuerforschung besonders bedeutsam ist zudem der Zugang zu aussagekräftigen Steuerdaten. Eine evidenzbasierte Steuerpolitik setzt solche Daten voraus, ihr Zugang ist in Deutschland jedoch deutlich stärker eingeschränkt als in vielen anderen Ländern – hier könnten eine bessere Dateninfrastruktur und gesetzliche Anpassungen wesentlich zur Forschungs- und Politikqualität beitragen.

 

In der wissenschaftlichen Praxis ist Versuch und Irrtum ein grundlegender Lern- und Erkenntnisprozess. Scheitern markiert hier kein Ende, vielmehr fungiert es als eine lehrreiche Ressource für zukünftigen Erfolg. Gab es in Ihrem akademischen Alltag eine Situation, aus der andere lernen können?

Forschung erfordert neben Neugier vor allem Ausdauer und Frustrationstoleranz. Mich reizt dabei gerade, dass es zu Beginn oft keinen klaren Lösungsweg gibt – die Suche nach Antworten ist ein kreativer Prozess, der Geduld und Offenheit verlangt. Natürlich gehört auch Scheitern dazu: Manche Ideen funktionieren in der Praxis nicht, bei der Datenerhebung tritt ein unerwartetes Problem auf oder ein Projekt lässt sich nicht sofort veröffentlichen. Solche Erfahrungen sind wertvoll, weil man aus ihnen lernt, Forschungsansätze zu überdenken, neue Wege zu suchen und Projekte weiterzuentwickeln. Dieses Durchhaltevermögen zu entwickeln, ist besonders für junge Forschende eine wichtige Erfahrung.

 

Herzlichen Dank für Ihre Auskünfte.

 

Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.