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„Ich erlebe die akademische Welt als internationales, eng verbundenes Netzwerk, welches gemeinschaftlich Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen sucht.“

„Ich erlebe die akademische Welt als internationales, eng verbundenes Netzwerk, welches gemeinschaftlich Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen sucht.“

© Stephan Nüesch

Bochum, Aachen und Münster sind die wichtigsten akademischen Stationen von Johann Nils Foege. Der Professor für Innovationsmanagement lehrt und forscht seit dem 1. Dezember am Institut für interdisziplinäre Arbeitswissenschaft der Leibniz Universität Hannover. Der gebürtige Duisburger gab Auskunft darüber, warum das „Not-Invented-Here Syndrome“ Innovationen behindert, wie er Studierende für die Gründerszene wappnen möchte und warum seine Forschungsthemen eine hohe Anschlussfähigkeit an die Forschungsschwerpunkte der Fakultät haben.

 

Ende der 80er-Jahre sind drei Männer von einem Start-up namens Cisco aus dem Silicon Valley zu Siemens gekommen, um mit dem Traditionskonzern zu kooperieren. Die Manager beim Weltmarktführer zeigten sich nicht interessiert - wenn Telefonie über das Internet möglich wäre, dann hätten sie das selbst erfunden. Der Rest ist bekannt: Cisco wurde ein Milliardenkonzern und Siemens musste sich aus der Telekommunikation verabschieden. Herr Professor Foege, können Innovationsmanager Unternehmen genau vor solchen Fehlern bewahren?  

Zunächst einmal möchte ich mich für die herzliche Begrüßung an der Leibniz Universität Hannover und insbesondere an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät bedanken. Ich habe mich vom ersten Moment sehr wohl und gut aufgehoben gefühlt, so dass ich voller Vorfreude auf die kommende Zusammenarbeit schaue.

Zu Ihrer Frage: Die von Ihnen beschriebene Situation ist ein Phänomen, welches in der Praxis tatsächlich sehr häufig beobachtet werden kann und unter dem Titel „Not-Invented-Here Syndrome“ bekannt ist. Dabei handelt es sich um eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber externem Wissen und Ideen. Dem zu Grunde liegt die Annahme, dass die eigenen, also internen Kenntnisse dem Wissen aus externen Quellen beispielsweise aus einem anderen Fachgebiet, z. B. der Medizin gegenüber der Informatik, oder einer anderen Organisation, z. B. Siemens gegenüber Cisco, überlegen sind. Solch eine Verschlossenheit und die daraus folgende organisationale Trägheit kann schwerwiegende Konsequenzen haben, wie in Ihrem Beispiel sehr anschaulich beschrieben.

Zur Aufgabe von Innovationsmanager*innen gehört es, solche Strömungen rechtzeitig zu identifizieren und diesen entgegenzuwirken oder diesen am besten gänzlich vorzubeugen. Dabei gibt es verschiedene strategische Maßnahmen, die Manager*innen ergreifen können. Ein erster Schritt liegt sicherlich in der Aufklärung und Sensibilisierung der Belegschaft in Schulungen.

Darüber hinaus ist es auch sinnvoll, neue organisationale Einheiten zu schaffen und zu managen, welche zum Ziel haben, nützliches externes Wissen zu identifizieren, zu akquirieren und in die unternehmensinternen Prozesse zu integrieren. Hierzu könnte die organisationale Einheit Ideenworkshops mit Kund*innen und Zulieferer*innen veranstalten, Crowdsourcing als Suchmechanismus etablieren oder strategische Forschungspartnerschaften mit Konkurrent*innen schließen. Erfolgreiche Innovationsmanager*innen können durch diese Maßnahmen ein lebhaftes Innovationsökosystem um die Organisation erschaffen und dieses erfolgreich orchestrieren.

 

Der weltweite Wettbewerb und technische Fortschritt zwingt Firmen dazu, in immer kürzeren Zyklen neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Der Zeitraum, in dem der Wettbewerbsvorteil sich auszahlt, wird kürzer. Mit welchen Argumenten werden Sie Ihre Studierenden für Ihr Lehr- und Forschungsgebiet ‚Innovationsmanagement‘ begeistern?

In der Tradition von Joseph Schumpeter und Edith Penrose, die 1934 bzw. 1959 dazu publizierten, sehe ich Innovationen und das Innovationsmanagement als zentrale Elemente des unternehmerischen Handelns, welche den langfristigen Erfolg der Unternehmung sicherstellen.

In einer globalisierten Welt, in der wir Informationstechnologien nicht nur für digitale Kommunikation nutzen, sondern auch für die kontinuierliche Schöpfung und Verbesserung von Produkten, Prozessen und Dienstleistungen, gewinnt das Innovationsmanagement umso mehr an Bedeutung. Es definiert das strategische Repertoire von Unternehmer*innen, Manager*innen und Gründer*innen.

Studierende, mit dem Ziel, irgendwann selbst ein Unternehmen zu leiten oder ein Start-up zu gründen, können durch das Studium des Innovationsmanagements dynamische Fähigkeiten entwickeln. Diese Expertise befähigt sie, unternehmerische Möglichkeiten in dynamischen Märkten zu erkennen und wahrzunehmen und hierdurch den nachhaltigen Unternehmenserfolg zu sichern.

In meinen Vorlesungen und Seminaren können sich Studierende, die dieses Ziel verfolgen, mit Themen wie Digitalisierung von Unternehmensprozessen, Industrie 4.0, Crowdfunding und Crowdsourcing, Social Innovation und Nachhaltigkeit, Open und User Innovation, Design Thinking, Rapid Prototyping und Additive Manufacturing vertraut machen. Dabei ist es mir wichtig, Studierende nicht nur für die Praxis vorzubereiten, sondern auch wissenschaftlich auszubilden und somit auf eine mögliche akademische Karriere vorzubereiten.

 

Sie haben zwischen 2007 und 2016 an der Ruhr Universität in Bochum studiert, an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen promoviert und dann vier Jahre am Lehrstuhl für Unternehmensführung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster gelehrt und geforscht.  Wenn Sie zurückblicken, wer oder was hat Sie in Ihrer akademischen Entwicklung geprägt?

In der Tat habe ich in meiner akademischen Karriere schon einige Institutionen kennengelernt. Diese Tatsache wird sicherlich durch meine Aufenthalte an der Universiteit Utrecht, der University of Cambridge und der Copenhagen Business School unterstrichen.

Während all dieser Stationen habe ich nicht nur zahlreiche nette Kolleg*innen kennengelernt, sondern auch sehr gute Freundschaften geschlossen. Die Vielzahl der damit einhergehenden Erfahrungen haben mich nachhaltig geprägt. Ich erlebe die akademische Welt als internationales, eng verbundenes Netzwerk, welches gemeinschaftlich Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragestellungen sucht. Dabei nutzt jede Institution ein wenig andere Ansätze, Methoden und Organisationen. Hier versuche ich stets auf das Beste für Forschung und Lehre zurückzugreifen.

 

Der Präsident der TU Berlin, Prof. Dr. Christian Thomsen, hat vor einigen Monaten in einem Pressebeitrag festgestellt, „dass die Corona-Pandemie uns zwingt, unser Handeln grundlegend zu hinterfragen“. Als Vertreter der TU9-Allianz, zu der auch die Leibniz Universität gehört, plädiert er dafür, das Lehren und Lernen zu verändern und fordert einen Digitalpakt für die Lehre an Hochschulen. Welche Chancen bieten sich nach Ihrer Meinung für Qualität und Didaktik der Lehre, wenn wir die Präsenzlehre auf den Prüfstand stellen, sie durch hybride Formate ergänzen und die digitale Lehre weiterentwickeln?

Auch wenn die Corona-Pandemie ein wirklich schreckliches Ereignis ist, welches hoffentlich im kommenden Jahr unter Kontrolle gebracht wird, hat sie sicherlich einen Schub in der Digitalisierung Deutschlands bewirkt. Dabei mussten meine Kolleg*innen und ich unsere Lehre unmittelbar und nahezu vollständig auf digitale Formate umstellen.

Gegeben der Kurzfristigkeit der Umstände, habe ich diese Bestrebungen als durchaus erfolgreich wahrgenommen. Insgesamt würde ich aber aktuell zu dem Fazit kommen, dass nicht alle Inhalte digital gleich gut zu vermitteln sind, und würde daher mittel- bis langfristig für die Etablierung hybrider Formate plädieren. Hybride Formate unterstützen Studierende in der nötigen Flexibilität, das Studium mit privaten Herausforderungen zu vereinbaren, während sie genügend Interaktion ermöglichen, um komplexe Inhalte allen Studierenden nachhaltig zu vermitteln.

 

Bitte geben Sie uns abschließend einen kurzen Einblick in Ihre aktuelle Forschung. Welchen Themen werden Sie sich in den kommenden Monaten widmen und wo gibt es mögliche Anknüpfungspunkte an die Forschungsschwerpunkte der Fakultät?

Was mich sehr freut, ist, dass meine aktuellen Forschungsthemen eine hohe Anschlussfähigkeit an die Forschungsschwerpunkte der Fakultät haben und ich mich somit in den Kanon der  Kolleg*innen gut einbringen kann.

Passend zum Forschungsschwerpunkt „Innovation und Lernen“ untersuche ich, wie durch Wissenstransfer und organisationales Lernen Wert geschaffen und zurückgeführt wird. Dabei versuche ich unter anderem Wertschöpfung in kooperativen Innovationsformaten wie Crowdsourcing und Crowdfunding neu zu definieren und die Parameter der diesen Mechanismen zu Grunde liegenden digitalen Plattformen entsprechend anzupassen.

Zum Forschungsschwerpunkt „Gesundheit und Bevölkerung“ trage ich bei, indem ich untersuche, wie sich Privatsphärenbedenken von Individuen auf das Teilen und die Auswertung digitaler Gesundheitsdaten auswirken und wie diese Bedenken adressiert werden können.

Darüber hinaus bin ich daran interessiert zu verstehen, welchen Einfluss Top Manager auf Unternehmen haben. Dabei untersuche ich insbesondere, welche kognitiven Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und Motivationen die Entscheidungen von Managern determinieren und zu welchen Konsequenzen diese Entscheidungen führen.

 

Herzlichen Dank für Ihre Auskünfte.

 

Die Fragen stellte Birgitt Baumann-Wohlfahrt.